Schwarze Person mit pinker Mütze und pink angemalten Fingernägeln hält Notizblock hoch mit der Aufschrift "Equal Pay".

Equal Pay fordern die einen – Fachkräftemangel beklagen die anderen. Was wäre, wenn beiden Parteien geholfen werden könnte? Jedes Jahr wird in Deutschland Anfang März auf das Lohngefälle zwischen „Männern und Frauen“ aufmerksam gemacht. Dies geschieht am Equal Pay Day. Gleichzeitig wundern sich Unternehmen, warum sich kaum noch Fachkräfte bei ihnen bewerben.

Was könnte der Equal Pay Day mit dem Fachkräftemangel zu tun haben?

Traditionell schafft der Equal Pay Day ein Bewusstsein für das Lohngefälle (Pay Gap) zwischen „Männern und Frauen“. Das Statistische Bundesamt benennt hierbei den sogenannten Gender Pay Gap bei durchschnittlich 20 Prozent (unbereinigt) bzw. 6 Prozent (bereinigt).

Der „Bereinigte Gender Pay Gap“ vergleicht gleichausgebildete Personen, die den gleichen Titel führen. Die unbereinigte Lohnlücke nimmt keine Rücksicht auf Stellung, Ausbildung und Co.

ver.di-Bundesvorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger erklärt, dass fast 70 Prozent der ausschließlich geringfügig entlohnten Beschäftigten „Frauen“ seien. Besonders die Pandemie habe gesellschaftliche Bedingungen aufgezeigt, die deutlich verbessert werden müssten. Die partnerschaftliche Verteilung von Haus-, Sorge- und Erwerbsarbeit zwischen den Geschlechtern und der Schutz von „Frauen“ vor jeglicher Gewalt.

Präsidentin des BPW Germany, Uta Zech meint zum Equal Pay Day: 

Geschlechtergerechtigkeit ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und stärkt unsere Demokratie. Auch in Pandemiezeiten muss Lohngerechtigkeit und alle Maßnahmen, die uns diesem Ziel ein Stück näherbringen, Thema bleiben. Frauen übernehmen 52 Prozent mehr unbezahlte Sorgearbeit und die Pflege- und Erziehungsberufe, in denen überwiegend Frauen arbeiten, sind unterbezahlt. Die Coronakrise hat deutlich gemacht, wie wichtig diese Berufe für unsere Gesellschaft sind. 18 Prozent Lohnunterschied sind immer noch 18 Prozent zu viel. Wir brauchen Game Changer für equal pay. Auch nach dem EPD.“

Wer ist mit Geschlechtergerechtigkeit gemeint?

Obwohl im November 2017 vor dem Gesetz mehr als zwei Geschlechter anerkannt wurden, versäumt die Bundesregierung und der Großteil der Gesellschaft, leider immer noch den rein binären Blick bzgl. der Geschlechtergerechtigkeit zu erweitern. Wenn wir von Geschlechtergerechtigkeit und Equal Pay für die Geschlechter sprechen, warum kann in Deutschland nicht gleich das Lohngefälle zwischen Männern und  Inter*, Non-Binary, und Trans* Personen mitgedacht werden?

Eine niederländische Studie fand z.B. heraus, dass sich das Jahreseinkommen im Schnitt um etwa 20 Prozent verringert, wenn sich eine männlich gelesene Person dafür entscheidet, eine weibliche Identität anzunehmen (offene Transition). In diesem Fall liegt eine doppelte Diskriminierung zugrunde. Denn die 20 Prozent Lohnunterschied kommen einerseits vom "klassischen" Gender Pay Gap. Andererseits beruht das Lohngefälle auch auf der Diskriminierung von trans* Personen. Wenn weiblich gelesene Beschäftige die Transition zum Mann durchlaufen, waren in der Studie dagegen keine Änderungen messbar.

Equal Pay fordern jedoch nicht nur diskriminierte Geschlechter

Frau im Rollstuhl unterhält sich mit diversen Team-Kolleg*innen

Selbst wenn wir das Augenmerk auf die Unterbezahlung von FLINTA legen würden. Eine Schwarze und FLINTA of Colour verdienen im Durchschnitt nochmal weniger als eine weiße FLINTA. Eine behinderte FLINTA wird im Fall einer Stellenbesetzung nicht dasselbe Gehalt verdienen wie eine FLINTA ohne Behinderung.

Laut dem Stern erhalten im Durchschnitt weiblich gelesene Erwerbstätige mit Behinderung ganze 667 Euro weniger pro Monat als ihre männlichen Pendants. Von Equal Pay kann hier wahrlich nicht die Rede sein.

Wenn wir demnach von Lohngerechtigkeit (Equal Pay) sprechen, sollten wir intersektional denken und alle diskriminierten Untergruppen berücksichtigen.

Equal Pay als Schlüssel zum Fachkräftemangel

Aus Unternehmenssicht hört sich eine gerechtere Bezahlung aller Beschäftigten zunächst nicht sehr attraktiv an. Schließlich ist das Ziel Gewinnmaximierung und nicht soziale Gerechtigkeit.

Aber was viele Unternehmen vergessen, ist dass genau die unterbezahlten Gruppen Vielfalt ins Unternehmen bringen und dies auch wirtschaftlich erfolgreicher machen!

vida-Gewerkschafter Berend Tusch ist im österreichischen Gewerkschaftsbund auf die Gastronomie und das Hotelgewerbe spezialisiert und meint:

„Der vielbejammerte Fachkräftemangel existiert nicht. Wir haben vielmehr einen Ausbildungs- und Bezahlmangel in der Branche. Wenn nicht ausgebildet und fair bezahlt wird, kann es auch keine Mitarbeiter*innen geben.“

D.h. wenn Unternehmen Equal Pay ernster nehmen und die Unternehmenskultur attraktiver machen würden, gäbe es durchaus auch mehr Bewerbungen von Fachkräften.

Diverse Teams sind erfolgreicher

Dass Vielfalt im Unternehmen der Innovation dient und somit dem wirtschaftlichen Erfolg, dürfte in 2022 kein Geheimnis mehr sein. Studien zufolge sind diverse Teams erfolgreicher als homogene Arbeitsgruppen und treffen für das Unternehmen bessere Entscheidungen.

Nichts destotrotz bemühen sich deutsche Unternehmen zu wenig um Diversität. Sie wundern sich, wo die Fachkräfte denn bleiben. Es gibt viele (über-) qualifizierte Bewerber*innen of Colour, mit Behinderungen und auch anderen Diskriminierungsmerkmalen, die sich gar nicht mehr auf die Fachkräfte-Stellen bewerben wollen. Denn sie bekommen oft aufgrund ihres fremdklingenden Namens, ihres Alters oder Geschlechts erst gar nicht die Chance, sich im Unternehmen vorzustellen. Und dies trotz bester Qualifikationen. Und wenn sie dann doch eine niedrig bezahlte Stelle bekommen, haben sie kaum die Möglichkeit, sich entsprechend ihrer Skills und Stärken hochzuarbeiten. Ungerechte Gehälter und diskriminierende Unternehmenskulturen sprechen sich jedoch auch in den jeweiligen Communities herum. Da will sich dann irgendwann niemand mehr bewerben – trotz bester Qualifikationen. Die Motivation lässt nach und die Fluktuation im Unternehmen steigt.

Equal Pay Gap und Fachkräftemangel haben zum Teil mit Selbstvertrauensdefizit zu tun

In einer aktuellen Studie (One Poll im Auftrag von Glassdoor) „stimmen 53 Prozent der Frauen und 41 Prozent der Männer zu, dass es ein Selbstvertrauensdefizit zwischen Mann und Frau am Arbeitsplatz gibt.“ Dieses Empfinden wird als Confidence Gap bezeichnet. Während 66 Prozent der Männer selbstsicher in Gehaltsverhandlungen gingen, wären im Vergleich nur 47 Prozent der „Frauen“ zu diesen Anlässen selbstbewusst.

Woran liegt dies?

Sicherlich sind die Personen, die der gesellschaftlichen Norm entsprechen (weiße, junge Cis-Männer ohne Behinderung) selbstbewusster sozialisiert. D.h. sie bekommen von klein auf beigebracht, sich gegenseitig zu messen und zu vermarkten. Dies ist bei Gruppen, die nicht der Norm entsprechen, häufig nicht der Fall. Menschen mit Diskriminierungsmerkmalen erfahren täglich Ablehnung und verinnerlichen diese irgendwann auch unbewusst.

Lieber Equal Pay und kein Fachkräftemangel

Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen kann sich jede Person antrainieren. Allerdings wird dies allein nichts an den Strukturen in den Unternehmen ändern. Wenn gesellschaftliche Minderheiten öfter eine Chance bekämen, sich im Unternehmen zu profilieren und dabei gerecht bezahlt zu werden. Dann würde ihr Selbstbewusstsein automatisch steigen und das Unternehmen würde von der neu-gewonnenen Motivation und Energie dieser Fachkräfte immens profitieren. Eine WIN-WIN-Situation für Organisationen und Beschäftigte.

Diverses Arbeitsteam klatscht sich hoch in die Hände

Wir unterstützen Organisationen

Das Team von FarbPracht bietet Workshops zu Themen wie Diversity, Anti-Diskriminierung und Empowerment an.

Mehr Infos zu unseren Angeboten für Organisationen findet ihr hier.

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